Ein 22- und ein 23-jähriger Delmenhorster sind des versuchten Totschlags angeklagt – 15.05.2013
Messerattacke nach Rempler
Von Andreas D. Becker
Versuchter Totschlag lautet der Vorwurf gegen zwei junge Männer aus Delmenhorst. Sie müssen sich seit gestern vor dem Landgericht Oldenburg verantworten, weil sie in der Nacht des 24. Dezember 2011 einen Mann niedergeprügelt und mit einem Messer attackiert haben, wie sie nun einräumten. Das Motiv für die Tat? Eine Nichtigkeit.
Delmenhorst. Am Ende der Nacht lag Fatih D. im Josef-Stift. Im Arztbericht ist von zwei Stichwunden die Rede, ein Mal drang das Messer seitlich unter der linken Achsel in seinen Oberkörper ein, der andere Messerstich bohrte sich zwischen Schulter und Nacken in die Thoraxwand, wie der Arzt notierte. Weitere Befunde: Gehirnerschütterung, Nasenbeinbruch, Prellungen und Blutergüsse. Es war die Nacht des 24. Dezember 2011, als der heute 35 Jahre alte Fatih D. in einer Bar am Busbahnhof mit den beiden Tätern zusammenstieß.
Fatih D. ist Fußballer. Am 23. Dezember traf er sich mit seinen Mannschaftskameraden zur Weihnachtsfeier. Es war ein lustiger Abend, sie zogen von Kneipe zu Kneipe, er habe ein paar Gläser Whisky-Cola getrunken, etwas anderes vertrage er nicht, erzählte Fatih D. Angetrunken sei er gewesen, aber nicht betrunken. Auch die beiden Angeklagten haben getrunken an diesem Abend. Der 23-Jährige traf sich mit zwei Freunden auf dem Parkplatz von Bruno Kleine, sie hatten eine Flasche Whisky und Cola dabei, in Pappbechern mixten sie sich ihre Mischungen. “Manche haben schneller getrunken, andere langsamer”, sagte er. Er selbst habe wohl schneller und mehr getrunken. Und auch der andere Angeklagte, heute 22 Jahre alt, hatte gefeiert, auch er traf sich mit Freunden, auf einem Platz auf der Nordwolle. Wodka hatten sie gekauft und einen Energydrink zum Mischen. Gegen Mitternacht zog er weiter in die Bar am ZOB, von dort rief er den Mitangeklagten an, der es ja nicht weit hatte.
Im “Kasos” trafen dann irgendwann das Opfer und die Täter aufeinander. Was genau geschah, muss die 5. große Strafkammer des Schwurgerichts am Landgericht Oldenburg unter dem Vorsitz von Richter Sebastian Bührmann nun herausfinden. Konkret geht es um den Zusammenstoß von Fatih D. mit dem 23-Jährigen. Der 35-Jährige und ein Zeuge aus seiner Gruppe sprachen von einem leichten Rempler, wie er ständig passiere, Ellenbogen an Ellenbogen, aus Versehen, nicht schlimm. Der 23-Jährige nannte es einen heftigen Stoß mit der Schulter, volle Absicht, volle Provokation.
Was auch passierte: Beide schienen sofort zu kochen, gerieten aneinander, standen Stirn an Stirn im Laden. In der Version des älteren Täters wurde Fatih D. sofort laut, beschimpfte ihn aggressiv, D. bestritt das. Die Streithähne wurden im Lokal getrennt, der Wirt schritt ein, die Gruppe um D. verließ die Bar. Auf dem Busbahnhof hielten die Männer an, als sie merkten, dass die Bar-Besucher herausgekommen waren, der 23-Jährige ging auf sein späteres Opfer zu, beide gerieten wieder aneinander – dann wurde es unübersichtlich. Auch weil sich noch nicht rekonstruieren ließ, wieso sich der 22-jährige Angeklagte mit einmischte.
Fatih D. erzählte, dass er aus der Gruppe nur jemanden haben rufen hören “Wen soll ich abstechen?”. Und auf einmal stand nicht nur der 23-Jährige vor ihm, sondern auch der jüngere Täter, in der Hand ein Messer mit einer zehn Zentimeter langen Klinge, wie es in der Anklage hieß. Während der 23-Jährige, ein Kickboxer, der sogar einmal einen Deutschen Meistertitel gewonnen habe, auf D. einprügelte, stach der andere zu. Den ersten Hieb wehrte ein Freund D.s ab, Altan K. wollte D. wegziehen, wie er aussagte, als ihn das Messer an der linken Hand traf. Warum sich der 22-Jährige überhaupt in den Streit einmischte, warum er sein Messer zückte, blieb unklar. Eingesteckt hatte er es, weil er kurz zuvor beleidigt wurde, er wollte sich schützen können. Und in der Streitsituation habe er das Messer gezückt, um D. einzuschüchtern, erklärte Anwalt Bernd Idselis für seinen Mandaten. Als sich D. angeblich nicht beeindrucken ließ und ihn trotz Messer zu attackieren versuchte, habe er zugestochen, mehrmals. Dann sei er weg gelaufen.
Der 23-jährige Angeklagte sagte, dass er von den Messerattacken nichts mitbekommen habe, dass er nach einigen Schlägen gegen D. weggezogen worden sei. Aber in der Anklage steht, dass auf D. von beiden Angeklagten noch eingeschlagen, eingetreten und eingestochen wurde, als der schon am Boden lag. “Mein Mandant bedauert die Tat und schämt sich, dass ein so nichtiger Anlass zu so schweren Verletzungen geführt hat. Er ist bereit, ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen”, sagte sein Anwalt Horst Wesemann.
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